INTERVIEW

Nummer 112 (16. Jahrgang, März/ April - 2005)
05.03.06 09:20:33
Anton Cupak

Interview, 01/2005: Elisabeth STARZINGER, Der Drang zum Singen war ein körperliches Bedürfnis

Elisabeth Starzinger-
Eine junge Mezzosopranistin ist auf dem Weg, die große Welt der Oper zu erobern.
Geboren wurde Elisabeth Starzinger in einem winzigen Dorf in Oberösterreich. Es hat gerade mal 30 Häuser. Kein Mensch in ihrer Umgebung übte die Musik als Beruf aus. Jedoch war die Mutter begeisterte Sängerin in einem Laienchor und übertrug diese Leidenschaft auf Ihre Tochter. Zunächst begann die kleine Elisabeth mit Klavier-, Harfen- und Ballettunterricht an der Landesmusikschule der nahegelegenen Bezirksstadt Vöcklabruck. Aber etwas in ihr meldete sich geradezu übermächtig: es war der Drang zum Singen, das Instrument, das sie in sich spürte, ausbilden zu lassen. Anfänglich dachte sie jedoch noch nicht im Traum daran Opernsängerin zu werden. Diesen Beruf kannte sie damals noch gar nicht.
In Kurzform einige biografische Daten zur bisherigen künstlerischen Laufbahn von Elisabeth Starzinger: Sie studierte Gesang an der Musikuniversität in Wien bei Prof. Luise Scheit und Prof. Gerhard Kahry. Schon während ihrer Ausbildung erhielt sie Gastengagements am Stadttheater Meran, beim Wiener Klangbogen, an der Neuen Oper Wien sowie am Schönbrunner Schlosstheater. Auf Empfehlung von Marc Minkowski wurde die hochbegabte Gesangstudentin für die Partie der Fekluscha in „Katja Kabanova“ an die Salzburger Festspiele (Regie: Marthaler, Dirigat: Cambreling) und an das Théatre Capitole du Toulouse engagiert. In Palma de Mallorca sang sie den Orlofsky, beim Schweizer Sommerfestival Mümliswil die Bronislava und an der Volksoper Wien gastierte sie als 2. Dame in „Die Zauberflöte“, Sandmann in „Hänsel und Gretel“, Eleonore in „Blaubart“ sowie als Cover für Fjodor in „Boris Godunow“. Als Preisträgerin von „Musica Juventutis“ gab sie im Wiener Konzerthaus einen Liederabend und ein Konzert mit der Wiener Kammerphilharmonie. Nach Beendigung ihres Studiums in Wien wurde sie von Alexander Pereira als Mitglied des Opernstudios nach Zürich geholt. Auf seine Anregung erhielt die junge Mezzosopranistin den renommierten Preis der Armin Weltner Stiftung Zürich. Der Aufenthalt von Elisabeth Starzinger im Zürcher Opernstudio dauerte gerade 3 Monate. Dann wurde sie im März 2002 in das Solisten-Ensemble der Komischen Oper Berlin aufgenommen. Dort vertraute man ihr sofort Partien wie Rosina in „Barbier von Sevilla“ und Cherubino an. Im Sommer 2003 debütierte Elisabeth Starzinger unter Wolfgang Gönnenwein bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen als Annius. Diese Partie führte sie darauffolgend als Gast an das Nationaltheater Mannheim. In 2004 erhielt sie erneut eine Einladung von Wolfgang Gönnenwein nach Ludwigsburg als Sopran-Solistin in Mozarts „c-moll-Messe“. Ebenfalls im Sommer 2004 gab sie ihr Rollendebüt als Dorabella während einer Japan-Tournee der Wiener „Cosi fan tutte“-Produktion von Luzia Meschwitz. Im Sommer 2005 wird Elisabeth Starzinger bei den Seefestspielen Mörbisch als Valencienne in „Die lustige Witwe“ debütieren.

In ihrem Interview für den MERKER spricht Elisabeth Starzinger über die Leidenschaft des Singens, den Reiz an Hosenrollen und die Diskussion über das Regietheater

Wie beschreiben Sie die eigentliche Motivation, die Sie zur Sängerin macht?

Der Drang zum Singen war keine intellektuelle Idee, sondern ein körperliches Bedürfnis. Noch heute ist diese körperliche und fast erotische Lust am Singen der größte Motivationsfaktor. Das Lernen von Noten, Text und Rhythmus ist nur das geistige Mittel zum Zweck, das man sich aneignen muss, um es dann mit dieser Körperlichkeit zu füllen. Ich bin überzeugt, dass ein Großteil der Ausstrahlung, die ein Sänger über die Bühne bringt, aus dieser Leidenschaft kommt. Dazu gehört natürlich auch noch sehr viel Musikalität

Welche Menschen haben Sie auf Ihrem noch kurzen Weg als Sängerin maßgeblich unterstützt?

Wenn Prof. Scheit nicht meine Persönlichkeit und das künstlerische Potential hinter meiner damals noch nicht so toll ausgebildeten Stimme erkannt hätte, weiß ich nicht, ob mich jemand anderes an die Musikuniversität Wien aufgenommen hätte. Nachdem Prof. Scheit in Pension ging, bin ich zu Prof. Kahry gewechselt. Zu ihm gehe ich nach wie vor immer wieder sehr gern, auch zur Kontrolle wenn ich besonders viel gesungen habe. Er begleitet meine Entwicklung und ich kann ihm vertrauen. So halte ich zum Beispiel Rücksprache mit ihm, wenn es darum geht, eine neue Rolle anzunehmen. Weiters ist mein Mann eine große Stütze für mich, nicht nur privat sondern auch in vielen Bereichen meines Berufs, obwohl er kein Musiker ist. Da wir uns schon länger kennen als ich singe, ist er mit mir in das Sänger-Dasein und das dazugehörige Geschäft mit hineingewachsen. Inzwischen ist er auch recht noten- und rhythmusfest, so dass er mich meine Partien abprüfen kann. Zudem ist er mir bei Lampenfieber eine große Hilfe

Ungewöhnlich früh, noch als Studentin, bekamen Sie die Möglichkeit, an renommierten Orten des Musiklebens Erfahrungen zu sammeln. Welche Eindrücke waren hier besonders wichtig für Sie?

Jede praktische Erfahrung in der Oper war während des Studiums wichtig, außerdem hatte ich in kurzer Zeit durchaus schwere Partien zu lernen. An der Wiener Volksoper durfte ich die 2. Dame in der Zauberflöte, den Sandmann in Hänsel und Gretel sowie Eleonore in Blaubart singen. Gerade Sandmann und auch 2. Dame sind zwar kleine Partien, aber sie sind nicht leicht zu singen, sie haben es durchaus in sich. Ein sehr prägendes Erlebnis war für mich das Engagement als Fekluscha bei den Salzburger Festpielen. Die Regie führte Christoph Marthaler und es dirigierte Silvain Cambreling. Es hat mir sehr viel bedeutet zu sehen, wie diese Stars arbeiten. Die hohe Professionalität gepaart wiederum mit dieser brennenden Leidenschaft für die Kunst. Als diese Produktion dann vom Theatre du Capitole du Toulouse übernommen wurde und ich auch dort wieder dabei war, machte mich das sehr glücklich. An größere Rollen durfte ich mich dann in Palma als Orlofsky und beim Sommerfestival Mümliswil als Bronislawa heranwagen. Das war für mich als Studentin eine große Herausforderung. Besonders die Bronislawa war ein Erfolg, den auch die Medien in Kritiken würdigten. Nach wie vor ist das eine sehr gute Partie für mich, die ich auch gern einmal wieder singen würde

Sie erwähnten eben auch den Orlofsky. Wie stehen Sie als Sängerin zu Hosenrollen?

Da ich zum Glück schlank bin und der Klang meiner Stimme für das Knabenhafte passt, bin ich für Hosenrollen sehr geeignet. Ich kann mich mit diesen Rollen auch sehr gut identifizieren. Es macht mir Freude, in Rollen zu schlüpfen und gerade Hosenrollen haben dann oft einen doppelten Reiz. Derzeit singe ich ja an der Komischen Oper auch den Cherubino, Amando und den Oberto. Ich habe aber insgesamt eine große Schauspiellust und denke mich gern in andere Menschen, deren Situationen und Lebenswelten hinein. Schon als Kind hatte ich daran Spaß, spontan auf andere Menschen zu reagieren, Rollenspiele zu machen und mich auf Partner einzulassen. In der Oper gibt es ja generell die einzigartige Möglichkeit, Gefühle körperlich nachzuempfinden und über die Stimme auszudrücken

Seit 2002 gehören Sie dem Ensemble der Komischen Oper Berlin an. Wie ergab sich die Zusammenarbeit mit diesem Haus und was bedeutet sie Ihnen?

Der erste Kontakt zur Komischen Oper ergab sich quasi als glücklicher Zufall. Beim Leipziger Bach-Fest sang ich gerade unter Howard Arman die h-moll-Messe im Gewandhaus. Ich hatte während der Vorbereitung ein paar Tage Zeit und fragte bei meiner Agentur nach, ob ich in Berlin ein Vorsingen bekommen könnte. Daraufhin durfte ich mich an der Komischen Oper vorstellen. Dort bot man mir einen Vertrag an und schlug vor, die Rosina im „Barbier von Sevilla“ zu übernehmen. Das war eine meiner Traumpartien! Außer dieser Rolle singe ich hier derzeit unter anderem den Cherubino, Armando (Le Grand Macabre), Oberto (Alcina), Mercedes (Carmen) und Nancy (Albert Herring). Insgesamt fühle ich mich an diesem Haus sehr wohl im Ensemble, die Kollegen sind ausgesprochen hilfsbereit. Ich habe ein künstlerisches Zuhause, was gerade für mich als junge Sängerin wichtig ist. Meine künftigen Wunschpartien wären hier Zerlina, Oktavian oder Dorabella. Als Dorabella habe ich gerade in Japan mein Rollendebüt geben dürfen u.a. in Tokyo und Kyoto

In 2003 haben Sie bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen unter Wolfgang Gönnenwein erstmalig den Annius in „Titus“ gesungen. Im vergangenen Sommer wurden Sie gleich wieder eingeladen für Mozarts c-moll-Messe....

Die Zusammenarbeit war sehr freundschaftlich. Herr Gönnenwein hat sehr genau mit uns gearbeitet, was ich gut finde.
Und ich singe sowieso immer gern Mozart. Zudem passt der Annius sowohl von der Tessitur als auch von der Rolle und Klangfarbe ideal zu meiner Stimme. Erfreulicherweise konnte ich die Partie des Annius dann auch in einem Gastengagement am Nationaltheater Mannheim singen. Dass ich dann 2004 gerade für Mozarts c-moll-Messe wieder eine Einladung nach Ludwigsburg erhielt, hat mich besonders gefreut. Es gibt Stücke, die ins Leben treten und die man unbedingt machen möchte. Die c-moll-Messe ist für mich so ein Werk. Ich hatte sie mir immer gewünscht. Ich liebe ihre strahlende geistliche Ausdruckskraft geradezu! Auch ist sie stimmtechnisch äußerst interessant, sie vereint Höhe, Tiefe, Koloraturen und lyrische Passagen. Ich bin Mezzosopran und habe eine lyrische Stimme. Die Stimme ist aber auch sehr beweglich, wodurch sie sich z. B. auch für Alte Musik und Rossini-Koloraturen gut eignet. Neben Mozart liegen mir die Werke von Rossini, Händel aber auch die lyrischen Partien von Richard Strauss ebenfalls sehr am Herzen


Neben der Oper geben Sie auch Liederabende oder wirken bei Kammerkonzerten mit

Im Moment bin ich ja in der Oper ziemlich beschäftigt, so dass wenig Zeit für die Lieder bleibt. Dennoch hängt mein Herz daran. Ein Liederabend ist sowohl musikalisch als auch poetisch ein viel dichteres Erlebnis als ein ganzer Opernabend. Dadurch dass man alleine ohne Kulisse und Rolle auf der Bühne steht, ergibt sich eine intimere Art des Musizierens. Man braucht dafür einen Pianisten als Partner, der bereit ist mit dem Sänger eine musikalische Beziehung einzugehen. Ich habe bei KS Edith Mathis Lied studiert und dort ihren Assistenten Russell Ryan kennen gelernt, mit dem ich dann sehr viel und gerne zusammengearbeitet habe.
Bei einem Liederabend ist schon allein das Zusammenstellen des Programms im Hinblick auf Texte, Komponisten, Reihenfolge und Tonarten ein kreativer Akt. Jedes Lied darin ist ein Kleinod und muss als solches gepflegt werden. Es macht dann auch Spaß, an einem Abend das Publikum auf die Reise durch die Lieder mitzunehmen. So haben die Zuhörer auch ohne Kulisse und Kostüme das Gefühl, als hätten sie deren Inhalte selbst durchlebt. Auch für mich privat sind es die schönsten Mußestunden, wenn ich mich allein ans Klavier setze und mich selbst begleitend durch verschiedene Liederbände spiele.
Von Liederabenden abgesehen mache ich noch viel und gerne Kammermusik: gemeinsam mit Klavier und Streichinstrumenten oder Bläsern, sowie Duette.
Diese Kammerkonzerte sind neben den Opernrollen immer ein bisschen Luxus, den man sich als Sänger gerne gönnt, weil ausschließlich die Musik präsentiert wird. Es ist einfach schön, wenn sich das Publikum auf die Musik einlässt und danach darüber redet. In der Oper hingegen wird eigentlich nur über Regie geredet; besonders Journalisten besprechen fast immer nur die Regie


Wie beurteilen Sie die derzeitige Diskussion über das Regietheater?

Die so oft übliche Diskussion über „konventionelle“ und „moderne“ Regie finde ich unnötig, weil sie immer mit Klischees verbunden ist. An einer Regie ist vor allem wichtig, dass sie in welcher Hinsicht auch immer konsequent ist und nicht nur Teilideen anbietet. Ich finde es gut, wenn ein Regisseur zwar ein Konzept aber keine vorgefertigten Figuren hat und sich auf die Sänger einlässt. Die Regie soll die Ästhetik einer Komposition unterstreichen, und im übrigen glaube ich, dass die musikalische Arbeit genauso wichtig ist wie die szenische und denselben Probenaufwand verdient. Meines Erachtens gehen die meisten Menschen doch wegen der Musik in die Oper

Sie sind noch jung und stehen am Anfang Ihrer Karriere. Was wünschen Sie sich besonders für Ihren weiteren Lebensweg?

Für meinen Sängerweg wünsche ich mir, dass die Stimme gesund bleibt und ich die Möglichkeit habe, zur richtigen Zeit an die richtigen Rollen zu kommen. Ich hoffe, dass die Leute meine Stimme als Zwischenfach (ich kann mit meinem Stimmumfang ein großes Spektrum abdecken und daher in vielen Werken sowohl die Alt- als auch die Sopranpartie übernehmen) akzeptieren und als meine eigene erkennen und sie nicht in ein Schema pressen möchten nach dem Motto: „vor 30 Jahren hat die XY das gesungen, das müssen Sie auch tun“
Ich möchte auch immer mit Leuten zusammenarbeiten können, denen die Musik als solche am Herzen liegt!
Derzeit freue ich mich besonders auf den Sommer 2005, wenn ich bei den Seefestspielen in Mörbisch die Valencienne in „Die lustige Witwe“ singen werde. Ich mag diese Operette weil ich immer gute Laune bekomme, wenn ich sie höre. Sie ist einfach ein perfekt komponierter Klassiker. Natürlich freue ich mich auch, dass ich wieder einmal in meiner Heimat Österreich auftreten darf