Hat in
der Oper häufig die Hosen an: In der morgigen
Premiere singt die österreichische Mezzosopranistin
Elisabeth Starzinger die Titelrolle des Theseus
Foto: Promo
Mit bandagierten Augen
und Ohren, noch dazu mit abgebundenen Extremitäten, robbt sich eine
zierliche Frau durch den Schlamm. Trotz dieser eher sub-optimalen
Bedingungen singt sie erstklassig. Und verkörpert, ganz nebenbei,
einen gefallenen Anti-Helden, der soeben vom Krieg heimkehrt.
Glücklicherweise ist es kein Szenario aus einem neuen
"Dschungel-Format". Diese oder ganz ähnliche Bilder können ab morgen
in der Komischen Oper bewundert werden, denn "Theseus", inszeniert
von Benedikt von Peter, feiert Premiere. In der Hauptrolle: Die
junge Mezzosopranistin Elisabeth Starzinger aus Österreich.
Seit 2002 ist Starzinger
an der Komischen Oper fest engagiert und in Rollen wie die Rosina im
"Barbier von Sevilla" oder als Cherubino in "Die Hochzeit des
Figaro" zu erleben. Mit ihrer Arbeitsstelle ist sie ohnehin tief
verwurzelt: Die "ausgesprochen kollegiale Stimmung" und eine
"besondere Betonung auf das Schauspiel" trügen dazu bei, dass sich
Starzinger auch nach sechs Jahren harter Arbeit extrem geborgen
fühlt. Auch die Metropole Berlin, die das "Landei" aus einem
30-Seelen-Dorf zusammen mit ihrem Mann bewohnt, ist längst vertraut.
Auch ihre neue Rolle
scheint ihr Großes abzuverlangen: "Ich finde es klasse, in drei von
insgesamt fünf Akten im Schlamm zu toben und mich bis auf die
Unterhose so richtig einsauen zu dürfen. Wer bitte kann das schon,
sobald einmal das Kindesalter vorbei ist?", plaudert sie
augenzwinkernd drauflos. Schlamm sei ein sinnliches, fast schon
erotisierendes Element und daher als Requisit überaus brauchbar,
findet die Wahl-Berlinerin, deren Naturverbundenheit im Gesprächs
immer wieder zum Ausdruck kommt.
Am liebsten verbringt
sie jede freie Minute draußen und bereist ferne Länder wie Namibia.
Doch freie Minuten gibt es derzeit nicht sehr viele. Ihr
Terminkalender gleicht seit Jahren dem eines vielbeschäftigten
Managers. Aktuell blickt die grazile Braunhaarige, die an der Wiener
Musikuniversität bei Gerhard Kahry und Edith Mathis studierte, auf
acht Wochen Präzisionsarbeit zurück: Jene stimmliche Metamorphose,
die sie mehr und mehr in den reifen und mental gebrochenen
Kriegshelden Theseus verwandelt.
Damit betritt sie
fremdes Terrain: Bisweilen verkörperte sie stets halbwüchsige
Knaben. "Ich bediene nun mal gern Hosenrollen. Nicht nur aufgrund
meiner schlanken Statur." Damit verweist die junge Österreicherin,
deren Aussprache sie nicht automatisch als solche entlarvt, auf ihre
Stimmlage und -farbe. Als Mezzosopranistin verfügt sie über ein
dunkles Timbre: Eine Eigenschaft, die sie für Hosenrollen geradezu
prädestiniert. Wie bereitet sie sich auf das "Mann-Sein" vor? "Ich
werde zu einer sehr genauen Beobachterin", so Starzinger lächelnd,
"Jede kleinste Bewegung und Gangart gerät in mein Visier, so lange,
bis ich die Rolle irgendwann tatsächlich lebe".
Dass sie in der vorigen
Spielzeit, bis auf zwei Rollen, lediglich maskuline Figuren
darstellte, stört sie ganz und gar nicht. Das sei doch etwas
Positives und erweitere den Horizont. Schließlich sei es
problematisch die eigene Persönlichkeit auf einige wenige Attribute
zu reduzieren. "Jeder Mensch ist bunter, als zunächst angenommen",
warnt sie vor zu schnellen menschlichen Urteilen.
Starzinger genießt ihre
Vielfältigkeit auf der Bühne. Zwar singt vorzugsweise Oper, darüber
hinaus möge sie besonders Liederabende, sagt sie, da die Atmosphäre
dort viel privater als auf der Opernbühne sei. Weniger
"Schlammschlachten" also, dafür mehr sanfte Töne, mehr Melodien und
einfach mehr Starzinger. "Am Ende eines Konzerts habe ich immer das
Gefühl, jeden Einzelnen im Publikum zu kennen". Ganz so kuschelig
wird es am Sonntag bei der Premiere von "Theseus" vermutlich nicht
zugehen. Schließlich spielt sie einen traumatisierten
Kriegsheimkehrer, der es verlernt hat, zu lieben. "Sympathisch ist
der schon", schmunzelt sie und bricht anschließend ins schallendes
Gelächter aus, "doch der Typ braucht echt 'ne Psychotherapie".
Aus der Berliner
Morgenpost vom 9. Februar 2008
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